Beschreibung
Mit “modern/trad. – Band 1” beginnt eine richtungsweisende Reihe für die Folk-Tanz-Szene. Schottisch, Walzer, Mazurka, Polka sind nur einige der gängigsten Paartänze, die in weiten Teilen Europas verbreitet sind.
Nur durch ständige Änderung und Erneuerung bleibt ein Tanzfest (oder Bal Folk) so gut wie früher. Die Tanzmusik hat sich seit dem Folk-Revival der letzten Jahrzehnte nicht nur in Frankreich, Irland oder Skandinavien kreativ weiter entwickelt. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es seit einigen Jahren eine bunte Musik- und Tanzszene, die von der traditionellen Musik unserer Nachbarländer inspiriert ist und gleichermaßen auf der eigenen musikalischen Vergangenheit wurzelt.
Diese neu komponierten Tanzstücke in “modern/trad. – Band 1” mit Blick über den Tellerrand stehen somit in bester Tradition, ‘neue deutsche Volkstanzmusik’.
Tanzmusik soll in die Beine gehen, sollte nicht verkopft sein, sollte leicht und trotzdem nicht banal klingen. Bei der Auswahl wurde deshalb vor allem Wert auf gute Spielbarkeit und den Spaß am gemeinsamen Musizieren gelegt. Alle Melodien in “modern/trad. – Band 1” sind mit Begleitakkorden versehen, einige sind mehrstimmig gesetzt und für die gängigen Instrumente geeignet. Bezüglich der Tonart und des Tonumfangs wurde in den meisten Fällen darauf geachtet, dass sie auch für Bordun-Instrumente wie Dudelsack oder Drehleier (in G-C Stimmung) spielbar sind.
Dem Buch “modern/trad. – Band 1” liegt eine hervorragende Begleit-CD, eingespielt vom Duo Cassard bei, auf der alle Melodien angespielt zu hören sind.
Vorwort
Volkstanzmusik – ist das eigentlich noch zeitgemäß? Ist die Volkstanzbewegung nicht seit mindestens 60 Jahren überholt und antiquiert? Nur noch von einzelnen Trachtengruppen und Heimatvertriebenen-Verbänden am Leben gehalten?
Wir sind ganz anderer Meinung! Neben den heutigen individuellen Tanzformen auf Technopartys und in Discotheken und dem Standardtanz, Latein, Merengue, Salsa, Samba etc. gibt es eine stetig wachsende Zahl von Tanz-Enthusiasten, die sich auf Folk-Tanzfesten treffen. Je nach regionaler und stilistischer Ausprägung spricht man auch von Bal Folk, Fest-Noz, Tanzhaus, Boombal, Folkbal, Organic Dancefloor etc.
Die Musik zu diesen Tänzen wird bevorzugt auf längst ausgestorben geglaubten Instrumenten wie Dudelsack und Drehleier, aber auch auf Akkordeon, Geige, Flöten und Gitarre gespielt. Durch den Einsatz der Bordun-Instrumente (Drehleier bzw. Dudelsack), deren Renaissance vor allem von Frankreich ausging, hat sich insbesondere im Westen Deutschlands eine Musiker- und Tanzszene gebildet, die sehr „frankophil“ geprägt ist. Anderswo kamen die Einflüsse neben der eigenen regionalen Tradition z.T. aus Ungarn, Polen oder Schweden.
In der Anfangszeit der Folktanz-Bewegung gab es nur relativ wenige Notenveröffentlichungen und Tonträger. Die spezifischen Instrumente waren schwer zu erhalten, meist recht teuer und die Qualität derselben oft Glückssache. Auf Wochenendkursen und Workshops konnte man sich mit Gleichgesinnten austauschen und die musikalischen Fertigkeiten vertiefen. Ansonsten blieb nur das Selbststudium zuhause, unter Abhören der Lieblingskassetten und Schallplatten, in der Hoffnung, die eine oder andere Verzierung endlich hinzubekommen.
Mittlerweile haben wir Musiker es einfacher: Die Instrumentenbauer haben Unglaubliches geleistet. Zu keiner Zeit der Geschichte wurde von so vielen Musikern Drehleier gespielt; Dudelsäcke, die man längst nur noch in Schottland wähnte, wurden überall in Europa wiederentdeckt, neu entwickelt nach den wenigen erhaltenen Originalinstrumenten; Feldforscher durchstöbern die letzten Winkel Europas auf der Suche nach Zeitzeugen und Tondokumenten der Vorkriegsära, um das Wissen um die alte Tanzmusik zu dokumentieren und zu konservieren.
Die digitale Vernetzung der Musiker untereinander bietet letztendlich die Möglichkeit des optimalen Austausches von Tanzstücken, neuen Kompositionen etc. in Midi-Format, ABC, in Notenform oder als Videofile.
Doch was wird eigentlich so alles gespielt auf einem Bal Folk? Wie alt sind die Melodien denn wirklich? Wo kommen sie ursprünglich her, wer hat sie komponiert? Woher weiß man denn heute, wie die Musiker damals die Melodien begleitet haben?
Sicherlich gibt es Tänze, deren Ursprung im Mittelalter zu suchen ist und die in ähnlicher Weise auch heute noch gespielt und getanzt werden. Die meisten Melodien sind jedoch neueren Datums, ihre Wurzeln liegen im 19. Jahrhundert. Die Komponisten sind uns weitestgehend unbekannt, zudem tauchen ähnliche Melodien in verschiedenen Regionen Europas zeitgleich auf. Diese Stücke bezeichnen wir als traditionelle Tanzmusik. Basierend auf diesen Kompositionen haben sich Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts in Frankreich, Deutschland, England etc. Gruppen formiert, die den Musikstil der Bal Folks bis auf den heutigen Tag prägen. Neue „Tunes“ wurden komponiert, die sich anhören, als stammten sie aus vergangener Zeit.
Und doch kommen neue Elemente hinzu, die Harmonien werden komplexer. Mit zunehmender Qualitäts verbesserung der Instrumente steigt der „Schwierigkeitsgrad“ der Kompositionen. Der Tonraum wird nach oben erweitert, die zunehmende Klappentechnik der Blasinstrumente ermöglicht ein chromatisches Spiel. Längst klingen die Melodien nicht mehr nur bretonisch, französisch, irisch/englisch, deutsch, schwedisch … Mischformen entstehen und es wird ausprobiert, was zusammen passt. Orientalische Perkussion, Reggae-Grooves, Bläsersätze mit Posaune und Saxophon verbinden sich mit den Klängen der Dudelsäcke und Drehleiern, elektrisch verstärkt und verzerrt kommen Gitarren und Bässe hinzu.
Bei allem Ausprobieren jedoch bleibt die Musik eines: Tanzmusik mit einer vorgegebenen Form. Die Kompositionen sind vom Umfang her übersichtlich. Meist gegliedert in A- und B-Teil mit Wiederholung ähneln sie den traditionellen Melodien des 19. Jahrhunderts. Steht beim Jazz die Improvisation über einem harmonischen Gerüst im Vordergrund, bleiben in der traditionellen Tanzmusik die Melodien immer noch erkennbar, werden jedoch variiert, verziert und umspielt, idealerweise in jedem Durchgang anders. Nach drei bis vier Wiederholungen wechselt man dann auf eine neue Melodie. (Werden mehrere Melodien zusammengesetzt und nacheinander gespielt, spricht man von einem „Set“.) An dieser Stelle sind Rückungen, Tonartund Dynamikwechsel etc. möglich. Verschiedene Harmonien in den jeweiligen Wiederholungen, rhythmische Variationen, Bassläufe und Bordune sind nur einige Stilmittel, mit denen man auch das für Tanzmusik so wichtige rhythmische und harmonische Fundament abwechslungsreich gestalten kann.
All diese Variationen in Noten festzuhalten, käme einer symphonischen Partitur nahe. Als Folk-Musiker sollte man frei mit der Notation umgehen und kreativ nach eigenen Interpretationen suchen. Das ist nicht nur legitim, sondern auch erwünscht! Die Grenzen hierfür liegen lediglich in der technischen Beherrschung des eigenen Instrumentes und im Ensemblespiel. Trotzdem sollte eine Melodie nicht mit Umspielungen, Variationen und Verzierungen überladen werden. Weniger ist manchmal mehr, und die Tänzer sind dankbar, wenn sie den Rhythmus noch erkennen. Auch sollte man sich nicht verleiten lassen, einen Tanz, den man sicher beherrscht, zu schnell und womöglich zu lange zu spielen. Ein wachsames Auge auf die Tanzenden wirkt oft Wunder! Das setzt voraus, dass man sich nicht nur hinter den Noten versteckt und mindestens ein freies Auge auf der Tanzfläche behält.
In vielen Kulturen wurden die Stücke einstimmig tradiert. Auch die neuen Kompositionen werden in den seltensten Fällen komplett durcharrangiert. Zur Verfeinerung des eigenen Stils und zum Erreichen eines „authentischen Klangs“ empfiehlt es sich, Tonträger von Gruppen zu studieren, die sich auf traditionelle Tanzmusik spezialisiert haben. Das bloße Abspielen der im Buch veröffentlichten Noten allein ist noch kein Garant für gute Tanzmusik, die in die Beine fährt. Aber genau da soll sie hin!
Viele schöne Melodien haben uns erreicht, hier eine Auswahl zu treffen (und damit auch auszusieben) fiel uns nicht immer leicht. Allen Komponisten, die uns ihre Melodien zur Verfügung gestellt und somit dieses Buch ermöglicht haben, ein herzliches Dankeschön dafür!
Ebenso danken wir Jürgen Treyz für die angenehme Arbeitsatmosphäre im „artes“-Tonstudio beim Einspielen der Melodien.
Viel Spaß nun mit dem vorliegenden Werk wünschen
Christoph Pelgen und Johannes Mayr
Oktober 2008
Text der Buchrückseite
„Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.“
Gustav Mahler (1860-1911)
Auf der Suche nach traditioneller Tanzmusik, die nicht alt und verstaubt klingt oder gar hundertfach gehört, sondern frisch, eigenständig und modern, haben die beiden Herausgeber Schottisch- und Mazurka-Melodien aus deutscher und österreichischer Feder gesammelt. Ein illustres Stelldichein der bekanntesten zeitgenössischen Folkmusiker aber auch junger Nachwuchtalente beider Länder…
Die Notensammlung „modern/trad“ wird als Serie fortgesetzt und widmet sich den beliebtesten Tänzen eines traditionellen Tanzfestes / Bal folk.
Alle Melodien sind mit Akkorden versehen und auf akustischen Instrumenten (Dudelsack, Akkordeon u.a.) live eingespielt auf beiliegender CD.
Autor:innen
Johannes Mayr
Geb. 1967 in Augsburg, wuchs ich in einer Familie auf, in der Volkstanz und die traditionelle Musik der schwäbisch-bayerischen Heimat das Leben bestimmten.
Nach klassischem Instrumentalunterricht (Klavier, Kontrabass, Kirchenorgel), Knabenchor und Schulorchester entdeckte ich mit 18 als Autodidakt das Akkordeon, das fortan mein “Hauptinstrument” sein sollte. Später kamen noch Drehleier und Dudelsack, in neuerer Zeit dann schließlich die Schlüsselfidel dazu.
Parallel zu einer als Schulband formierten Irish-Folk-Band spielte ich als Bassist bei den „Bergschuster Spielleut“ (bayerische Tanzmusik mit Dudelsack, Drehleier und Geigen). Die neu entdeckte Begeisterung für Bordun-Instrumente führte dazu, dass ich nach einer Schreiner- und Orgelbauerlehre 2 Jahre bei mehreren Instrumentenbauern (Drehleiern, hist. Instrumente) arbeitete.
Seit 1993 lebe ich als selbstständiger Musiker mit meiner Familie im Westerwald.
Neben zahlreichen Konzerten mit HÖLDERLIN EXPRESS, LYNCH THE BOX, dem seit 2004 bestehenden Trio DÁN (fine irish music) bin ich außerdem als Chorleiter tätig und gebe Akkordeon-Workshops.
Seit 2005 spiele ich Akkordeon bei LAMARMOTTE. Aus etlichen gemeinsam mit Christoph Pelgen geleiteten Ensemble-Kursen ging schließlich 2007 das Duo CASSARD hervor.
Nach vielen Jahren als Folk-Musiker bin ich immer wieder auf der Suche nach einer zeitgemäßen, eigenen (deutschen?) Volksmusik, die auch außerhalb des heimatlichen bayerischen Volksmusik-Biotops funktioniert und dabei gleichermaßen Benachbartes (z. B. Französisches, Irisches oder Schwedisches…) sowie Regionales ohne Scheuklappen integriert.
„Folk ist die Musik, die von innen raus rockt“
Christoph Pelgen
Geb. 1967 in Wiesbaden und aufgewachsen in Rheinhessen.
Mit sechs Jahren erster Musikunterricht (Flöte), gefolgt von Gitarre und Klarinette (mit beiden Instrumenten vorerst gründlich gescheitert). Eine Kindheit zwischen Opernbesuch (mein Vater war bis zur Pensionierung Kulturredakteur beim SWF Mainz, Schwerpunkt u.a. Oper und Mittelalterliche Musik) und „Hausfrauensender“ (gibt es irgendeinen Oldie, den meine Mutter nicht mitpfeifen kann?).
Erste Folkerfahrungen bei ungezählten Auslandsfahrten mit den Pfadfindern. 1987 das heißersehnte Krummhorn zum Abitur geschenkt bekommen. Danach ging alles sehr schnell:
Mitglied der legendären Mainzer Folkband SANS FAMILLE um den zu früh verstorbenen Dieter Güttler, der in mir das Feuer für die traditionelle französische und v.a. bretonische Musik entfacht hat. Selbst studium von Dudelsack, Bombarde, Mandoline …
Zwischen Zivildienst und Schreinerlehre, 1989/90 auf der Suche nach dem eigenen Ich, einer gemeinsamen europäischen Kultur und der Musik, die mich fasziniert, zu Fuß unterwegs von der Südpfalz nach Santiago de Compostela auf dem Jakobsweg.
Danach Umzug nach Tübingen, wo ich seit Herbst 1990 in der Gruppe LA MARMOTTE meine musikalische Familie gefunden habe.
Seit 1993 selbstständiger Musiker, zahlreiche CD-Produktionen, Auftritte als Dudelsackspieler beim Staatstheater Stuttgart, mit der Mittelalter-
Rockband ADARO, mit ESTAMPIE und L’HAM DE FOC, Dudelsacklehrer, Gründer der WURMLINGER ZUPFKAPELLE HILARITAS, passionierter Notensammler und Ukulele-Enthusiast!
Durch das Studieren traditioneller Melodien jedweder Region die eigenen musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten zu finden ist mein erklärtes Ziel. Musik als Gefühl, nicht als Wettkampf – das bewegt mich!