Beschreibung
Die vorgelegte Sammlung „Cantus et Tibia – Band 1“ ist beim Musizieren entstanden. Beginnend mit dem hohen Mittelalter folgen Lieder bis hin zur Blütezeit unserer Dudelsäcke. Die Mehrstimmigkeit stammt teilweise aus der Entstehungsphase der Lieder. Oft aber wurde zu einer Melodie beim Singen und Spielen eine eigene Begleitung entwickelt. Immer ist die Instrumentalstimme von Ambitus, Tonart und Chromatik her so gehalten, dass sie mit Hümmelchen und Dudey ausgeführt werden kann, also auch mit Gemshorn oder Cornamuse. Bei jedem Lied steht oben links der geeignete Bordunton.
CANTUS ET TIBIA, Gesang und Flötenspiel – unter diesem Motto steht die neu erschienene, auf zwei Teile angelegte Zusammenstellung von Liedern von Hermann Rieth. Dabei meint tibia nicht nur Flöte sondern eher Blasinstrument. Der erste Teil führt vom hohen Mittelalter bis zur Renaissance, der zweite weiter bis in unsere Zeit.
Historische Quellen und Inspiration in „Cantus et Tibia – Band 1“
Am Anfang stehen in „Cantus et Tibia – Band 1“ drei Lieder aus der Carmina Burana (CB). Zu dieser Handschrift ist das Buch gleichen Titels von René Clementchik eine fundierte und leicht zugängliche Quelle. Text und Melodie von Neidharts „Meie, din“ finden sich bei: E. Weißner und H. Fischer; Die Lieder Neidharts; Tübingen, 1984. Für die Lieder des Oswald von Wolkenstein sei auf Veröffentlichungen von Anton Schwob, Dieter Kühn, Klaus J. Schönmetzler und Marc Lewon hingewiesen.
Flexibilität in der Umsetzung
Selbstverständlich können diese Begleitstimmen in „Cantus et Tibia – Band 1“ auch von Blockflöte, Geige oder einem anderen Melodieinstrument übernommen werden. Und – entsprechend alter Tradition – mögen sich die Musiker frei fühlen mit dem Material umzugehen. Melodien können in „Cantus et Tibia – Band 1“ gespielt und Begleitstimmen gesungen werden. Rein instrumentale Versionen sind genau so denkbar wie Acapellavortrag. Vorher notierte oder improvisierte Vor- und Zwischenspiele können bereichernd sein.
Die Vielseitigkeit von Hümmelchen und Dudey
Hümmelchen und Dudey sind vielseitig einzusetzende Instrumente: Solistisch, im Duett oder im leisen Ensemble mit Flöten, Geigen, Harfe, Cornamuse, Gemshorn. Einen besonderen Reiz hat der Bordun getragene Klang der kleinen Sackpfeifen bei der Begleitung von Gesang. Sowohl von der Klangfarbe als auch von der Lautstärke passt das Instrument gut zur menschlichen Stimme. Die fehlenden dynamischen Möglichkeiten der Sackpfeife fordern dem Sänger eine andere Stimmführung ab und verleihen den Liedern einen besonderen Charakter.
Hümmelchen und Dudey, wie Michael Praetorius sie 1619 beschreibt, sind Instrumente der ausgehenden Renaissance und des frühen Barock. Sicher wurden sie auch vorher und eine Weile danach gespielt. Aus unserer heutigen Sicht ist es interessant zu erleben wie der leise Sackpfeifenklang, von kräftigem Bordun gestützt, zu Musik passt, die aus Zeiten stammt, in denen diese Instrumente noch nicht bekannt waren oder nicht mehr gespielt wurden.
„Cantus et Tibia – Band 1“ von Hermann Rieth ist eine faszinierende musikalische Zeitreise, die das hohe Mittelalter bis zur Renaissance umspannt. Diese Sammlung bereichert das Repertoire von Hümmelchen, Dudey und anderen Blasinstrumenten mit Liedern, die sowohl instrumental als auch gesanglich interpretiert werden können. Rieths Werk ermutigt zur kreativen Auseinandersetzung mit historischen Melodien und bietet eine Brücke zwischen vergangener Musikkultur und heutigen Musikern. Mit „Cantus et Tibia“ wird die reiche Tradition der Mehrstimmigkeit lebendig und zugänglich, was es zu einem unverzichtbaren Werk für Liebhaber historischer Musik macht.