Das Königreich der Spielleute
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Organisation und Lebenssituation elsässischer Spielleute zwischen Spätmittelalter und Französicher Revolution von Hartwig Büsemeier
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Beschreibung
Entdecke die faszinierende Welt von „Das Königreich der Spielleute“, einem umfassenden Werk, das die Organisation und das Leben der elsässischen Spielleute zwischen dem Spätmittelalter und der Französischen Revolution beleuchtet. Geschrieben von Hartwig Büsemeyer, führt dieses Buch den Leser tief in die kulturelle und soziale Geschichte dieser einzigartigen Berufsgruppe ein.
Eintauchen in das Königreich der Spielleute
„Spielleute und Lumpen – wachsen auf einem Stumpen”, sagt ein zeitgenössisches Sprichwort. Die mittelalterlichen Spielleute waren beides: gerngesehene und gerngehörte Unterhalter und gesellschaftliche Außenseiter, deren Lebensstil die Menschen eher mit Abscheu gegenüberstanden. Ihre Mobilität und ihr unstetes Wanderleben standen in krassem Gegensatz zu einer wohlgeordneten Welt, die durch Sesshaftigkeit, Ständehierarchie und Zunftzwang bestimmt war.
Gründung und Schutz einer einzigartigen Bruderschaft
Im 14. Jahrhundert hatten sich elsässische Spielleute in einem großen landschaftlichen Berufsverband zusammengeschlossen. Das Königreich der Spielleute stand unter dem Schutz des mächtigen Herren von Rappoltstein, dem die Spielleute steuerpflichtig waren, und der sich im Gegenzug verpflichtete, ihre Interessen wahrzunehmen und sie gegen Übergriffe von außen zu schützen. Um sich mit der Kirche auszusöhnen, wählten sie Maria zu ihrer Schutzpatronin und versammelten sich ihr zu Ehren alljährlich zum Pfeifertag.
Die Rolle des Pfeiferkönigs
An der Spitze des Königreichs stand der Pfeiferkönig: Er hatte die Aufgabe, Ordnung unter dem bunten Musikantenvolk zu halten und über die Einhaltung der Zunftregeln zu wachen. Ebenso war er aber auch der oberste Gerichtsherr des Pfeifergerichts, einer eigenen Gerichtsbarkeit, auf die die Spielleute besonders stolz waren.
Historische Tiefe und breites Publikum
Hartwig Büsemeyer stellt in „Das Königreich der Spielleute“ die Geschichte der Bruderschaft elsässischer Spielleute über den gesamten Zeitraum ihrer Geschichte dar – von Ende des 14. Jahrhunderts bis zur Französischen Revolution. Der Schwerpunkt seiner Arbeit lag in der Erforschung des Kleinlebens und der Alltagskultur der Spielleute. Die Gründe, die zum langsamen Verfall und zur Auflösung der Bruderschaft führten, konnte der Autor mit Hilfe bisher nicht veröffentlichter Quellen aus den Archiven von Colmar und Straßburg sehr genau darstellen.
Eine wissenschaftliche Fundgrube und lebendige Geschichte
Das Buch „Das Königreich der Spielleute“ wendet sich nicht an den Spezialisten, sondern sollte auch für denjenigen verständlich sein, der über keine Fachkenntnisse verfügt. Diese Vorgabe machte allerdings eine Einführung in das Thema unumgänglich, denn ohne eine ausführliche Erklärung der rechtlichen und gesellschaftlichen Stellung der mittelalterlichen Spielleute konnten die verschiedenen Möglichkeiten eines beruflichen und gesellschaftlichen Aufstiegs einzelner Mitglieder dieser Berufsgruppe kaum plausibel gemacht werden. Der Autor hat deshalb eine isolierte Darstellung der Spielleute in ihrer Lebens- und Arbeitswelt vermeiden wollen und ganz bewusst versucht, sie in die Geschichte des Elsaß einzubinden. Die zahlreichen Abbildungen sollen das im Text Gesagte verdeutlichen.
Hol Dir die Geschichte der Spielleute
„Das Königreich der Spielleute“ von Hartwig Büsemeyer bietet eine umfassende und tiefgründige Darstellung der elsässischen Spielleute und ihrer außergewöhnlichen Lebenswelt. Durch die Verbindung von akribischer Forschung und lebendiger Erzählweise entsteht ein Werk, das sowohl historisch informiert als auch breit zugänglich ist. Erlebe die faszinierende Welt der mittelalterlichen Unterhalter, ihre gesellschaftliche Rolle und die Herausforderungen, denen sie sich stellen mussten. Dieses Buch ist ein Muss für alle, die sich für Geschichte und Musik interessieren. Lass Dir diese Gelegenheit nicht entgehen, tiefe Einblicke in eine fast vergessene Ära zu gewinnen.
Vorwort
[…]
Das entstandene Buch ist zunächst der Versuch, die Geschichte der Bruderschaft elsässischer Spielleute über den gesamten Zeitraum ihrer Geschichte – also von Ende des 14. Jahrhunderts bis zur Französischen Revolution – möglichst lückenlos darzustellen. Der Schwerpunkt dieser Arbeit lag aber sicher in der Erforschung des „Kleinlebens“ und der Alltagskultur der Spielleute. (Kap. 9 u. 10). Wichtigste Quelle hierzu waren die Geschäftsbücher der sogenannten „Unteren Bruderschaft“, die meines Wissens noch nie Gegenstand einer wissenschaftlichen Arbeit waren. Die Gründe, die zum langsamen Verfall und zur Auflösung der Bruderschaft führten (Kap. 11), konnte ich mit Hilfe bisher nicht veröffentlichter Quellen aus den Archiven von Colmar und Straßburg sehr genau darstellen.
Dieses Buch wendet sich nicht an den Spezialisten, sondern sollte auch für denjenigen verständlich sein, der über keine Fachkenntnisse verfügt. Diese Vorgabe machte allerdings eine Einführung in das Thema unumgänglich (Kap. 1), denn ohne eine ausführliche Erklärung der rechtlichen und gesellschaftlichen Stellung der mittelalterlichen Spielleute konnten die verschiedenen Möglichkeiten eines beruflichen und gesellschaftlichen Aufstiegs einzelner Mitglieder dieser Berufsgruppe (Kap. 2) und die Schritte, die zur Gründung der elsässischen Bruderschaft der Spielleute führten (Kap. 3), kaum plausibel gemacht werden.
Ohne ein historisches Grundgerüst blieben die kulturellen Phänomene unverständlich. Der Autor hat deshalb eine isolierte Darstellung der Spielleute in ihrer Lebens- und Arbeitswelt vermeiden wollen und ganz bewusst versucht, sie in die Geschichte des Elsaß einzubinden. Bei Recherchen, die sich über einen Zeitraum von fünfhundert Jahren erstrecken, musste sich dieses Vorhaben kompliziert gestalten, denn das Elsaß war während dieser Zeitspanne wie kaum eine andere Kulturlandschaft in Europa vielfachen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen unterworfen. Vor allem der „Exkurs“ in Kapitel 8 stellt den Versuch dar, den Bogen über die Jahrhunderte zu spannen, und soll zeigen, mit welchen wechselnden Herrschafts- und Religionsverhältnissen, Moden, Sitten und Geschmack sich der Elsässer und „Spielmann“ konfrontiert sah.
Ein Hauptanliegen war es, die Quellen selbst sprechen zu lassen. Auf diese Weise soll historische Anschaulichkeit gewonnen werden und beim Leser ein Gefühl für Sprache und Zeit entstehen. Um die Darstellung überprüfbar zu machen, wurden Fußnoten angeführt, über die das Quellen- und Literaturverzeichnis Auskunft gibt. Die zahlreichen Abbildungen sollen das im Text Gesagte verdeutlichen.
Wer sein Thema über einen großen geografischen Raum und einen Zeitraum von mehreren hundert Jahren verfolgt, kann kaum davon ausgehen, alle möglichen Quellen erschlossen zu haben. Ich glaube zwar, das Wesentliche erfasst zu haben, aber mir ist auch klar, dass Überraschungen möglich sind und in den Archiven noch manches Dokument schlummern kann, das wert gewesen wäre, in diese Arbeit übernommen zu werden. Die Weitläufigkeit des Themas „Spielleute im Elsaß“ zeigte sich im übrigen auch bei den Recherchen zu diesem Buch, die bei einer nie verebbenden Flut von Quellen wohl auch nie als ganz abgeschlossen betrachtet werden können. Relativ spät erfuhr ich von der Existenz der Geschäftsbücher der „Unteren Bruderschaft“, die mir erst ermöglichten, das „Kleinleben“ innerhalb der Bruderschaft darzustellen. Trotzdem bleiben Fragen offen! Wo sind die Geschäftsbücher der Mittleren und Oberen Bruderschaft? Gibt es sie nicht mehr, oder sind sie nur an einem bisher unbekannten Ort versteckt? Möglicherweise schlummern auch noch Dokumente in Familienbesitz! Man kann auch nur schwer glauben, dass keines der vielen hundert „Bruderzeichen“ der Spielleute die Zeiten überdauert hat.
Es bleibt mir das Vergnügen, allen denen zu danken, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben. Ganz besonders unterstützt haben mich dabei Gert Dannemann von den „Spielleut“, mein Bruder Heinrich Büsemeyer und Herr Henri Spenlinhauer vom „Cercle de recherche historique de Ribeauvillé et Environs“, die das fertige Manuskript gelesen und korrigiert haben. Frau Ursula Rojnica vom Esslinger Stadtarchiv war mir bei der Transkription schwieriger handschriftlicher Quellentexte eine große Hilfe. An die freundliche Aufnahme durch Pater Luc Kern und seine Helfer und Helferinnen in der „Pèlerinage Notre Dame de Dusenbach“ denke ich gern zurück. Herrn Christian Gunther vom „Service Culturel“ der Stadt Bischwiller, Frau Isabelle Martz aus Rosheim und Herr Ivan Kaemmerlen aus Vieux-Thann haben mir großzügig Material zur Geschichte der Pfeifertage in ihren Heimatorten zur Verfügung gestellt. Ohne die unbürokratische Hilfe einiger Archive hätte ich diese Arbeit ebenfalls nicht bewältigen können. Hier gilt mein Dank vor allem den Damen und Herren der „Archives départementales du Haut-Rhin“ in Colmar und der Stadtarchive von Ribeauvillé und Strasbourg.
März 2003
Hartwig Büsemeyer
Inhalt
- Einleitung
- Die Spielleute
- Die Spielleute im Urteil der Kirche
- Die Spielleute im Urteil der weltlichen Macht
- Abgemilderte und differenzierte Meinungen
- Sozialer und gesellschaftlicher Aufstieg der Spielleute im Schutz von Fürsten, Städten und Bruderschaften
- Karriere am Hof
- Karriere in der Stadt
- Aufstieg im Schutz einer Bruderschaft
- Einsetzung von Pfeiferkönigen
- Die Schutz- und Schirmherren der Spielleute im Elsaß und die Gründerjahre des „Königreichs fahrender Leute“
- Die Herren von Rappoltstein
- Das so genannte „Pfeiferlehen“
- Die Gründungsjahre des „Kunigrichs varender Lute“
- Aussöhnung mit der Kirche
- Reformen durch Guillaume II. und Eberhard von Rappoltstein
- Rechte und Pflichten aus dem „Pfeiferlehen“
- Ein herrschaftlicher Streit um den Tod eines Lautenschlägers
- Die Pfeiferkönige
- Die elsässischen Pfeiferkönige in einer Kurzbiographie
- Rechte und Pflichten des Pfeiferkönigs
- Patronat und Wallfahrt
- Bruderschaftsordnung und Gericht
- Die Privilegien
- Bedingungen für die Aufnahme in die Bruderschaft
- Pflichten aus dem Patronat
- Das Erbe
- Der berufliche Alltag
- Das Pfeifergericht
- Das Hofgericht
- Der Pfeifertag
- Vorbereitung und Bekanntmachung des Pfeifertages
- Schlechte Zeiten
- Die Anreise
- Der Pfeifertag in Rappoltsweiler
- Der Pfeifertag in Bischweiler
- Der Ablauf des Festes
- Versprengte Nachrichten über die Tradition der Pfeifertage in den übrigen Versammlungsorten der Bruderschaft
- Exkurs: Von Zeit zu Zeit
- Vom Bauernkrieg zum Dreißigjährigen Krieg
- Das Elsaß unter Frankreich
- Lebenswelt
- Statistik
- Innerberufliche Schichtung
- Der städtische Lebensraum
- Der ländliche Lebensraum
- Lebensgefühl, Mentalität und Selbstverständnis
- Arbeitswelt
- Familientradition, Lehrjahre und beruflicher Aufstieg
- Bestellung, Auftreten und Lohn
- Musikantenstreit
- Musikalische Welten – Musikalisches Niveau
- Instrumente, Besetzungen, Repertoire
- Exkurs: Das elsässische Lied- und Tanzrepertoire des 15. bis 18. Jahrhunderts
Die Festkultur vor 1800 und das Mitwirken der Spielleute
Die Obrigkeit und das Vergnügen
- Krise und Auflösung
- Die Konkurrenz
- Über die Organisation der Musik in Straßburg, die besondere Stellung der „Musiciens Pensionaires de la Ville“ und die anhaltende Kritik der Straßburger Musikantenbrüder an der elsässischen Musikantenbruderschaft
- Musculus, Stahl und die Folgen, oder: Ist es erlaubt, mit zweyerley Instrumenten aufzutreten?
- Der Zustand der Bruderschaft 1745 – 1750
- Die „Stamm Affaire zu Thann“
- Die finanzielle Situation
- Disziplinarische Maßnahmen der Lehensherren
- Hohe Ausgaben und korrupte Gerichtsleute
- Die letzen Jahre
- Anhang
- Editionsgrundsätze
- Abkürzungen
- Quellen- und Literaturverzeichnis
- Verzeichnis der Abbildungen
- Verzeichnis der Orte, Länder und Landschaften
- Verzeichnis der Personen
Text der Buchrückseite
»Spielleute und Lumpen – wachsen auf einem Stumpen“, sagt ein zeitgenössisches Sprichwort. Die mittelalterlichen Spielleute sind beides: gern gesehene und gern gehörte Unterhalter und gesellschaftliche Außenseiter, deren Lebensstil die Menschen eher mit Abscheu gegenüberstehen.
So schlossen sich elsässische Spielleute im 14. Jahrhundert in einem großen Berufsverband zusammen. Dieses „Königreich fahrender Leute“ steht unter dem Schutz des mächtigen Herren von Rappoltstein, dem die Spielleute steuerpflichtig sind, und der sich im Gegenzug verpflichtet, ihre Interessen wahrzunehmen und sie gegen Übergriffe von außen zu schützen. Um sich mit der Kirche auszusöhnen, wählen sie Maria zu ihrer Schutzpatronin und versammeln sich ihr zu Ehren alljährlich zum „Pfeifertag“.
Dieses Buch ist das Ergebnis langjähriger Recherchen in elsässischen Archiven und lädt den Leser ein, die Organisation und wechselhafte Geschichte der elsässischen Spielleute über einen Zeitraum von fast 400 Jahren zu verfolgen.
Autor:in
Hartwig Büsemeyer
1953 in Bielefeld geboren, lebt in Esslingen bei Stuttgart und arbeitet hauptberuflich als Kartograf in einem großen süddeutschen Verlag. 1977 gründete er mit Freunden die Gruppe „Spielleut“, die Alte Musik auf Nachbauten historischer Instrumente konzertant aufführt. In diesem Ensemble tritt er hauptsächlich als Holzbläser in Erscheinung und spielt verschiedene Sackpfeifen, Flöten, Schalmei, Cornamuse, Gemshorn und Krummhorn. Mit den „Spielleut“ hat er Schallplatten und CDs eingespielt und an zahlreichen Rundfunk-und Fernsehproduktionen mitgewirkt.
Als Autor beschäftigte er sich schon früh mit den historischen Spielleuten. Hier galt sein besonderes Interesse bald den elsässischen Musikanten, die sich schon im 14. Jahrhundert in einem großen landschaftlichen Berufs-verband, dem „Kunigrich Varender Lüte“, zusammen geschlossen hatten. Er erforschte deren Lebens- und Arbeitsbedingungen und die musikalische Kultur vom Mittelalter bis zur Neuzeit.
Rezensionen
Dies ist ein willkommenes Buch. Zuerst wegen des Äußeren: eine gute Bindung, ein einwandfreies Seitenlayout, gut bezeichnete Abbildungen, sehr gut lesbare Texte mit wohlbedachten Fußnoten, ein Ortsindex, ein Personenindex usw. Zum Zweiten jedoch und vor allem wegen des Inhalts, der einerseits den darstellerischen und musikwissenschaftlichen Aspekt beleuchtet, andererseits aber auch populärwissenschaftlich anspruchsvoll ist.
Und in der Tat ist der Stoff von beträchtlichem Umfang. Die Geschichte der Spielleute im Elsass ist lange von Autoren beschrieben worden, die sie als kurzen Überblick im 19. Jh. behandeln. Wenn man Vogeleis folgt, der bis heute die Bibel der Musikgeschichte des Elsass ist, hat sich die Bibliographie des Themas seitdem kaum vergrößert, sei es weil einfach ‚geklont’ wurde oder sei es, dass nur kurze Aufsätze in Fachzeitschriften herauskamen.
Die Bedeutung des Werkes beruht auf dem thematischen Überblick angefangen von der Frage nach den Ursprüngen, der Organisation und den Arbeitsbedingungen der regionalen Bruderschaft, die man unter dem ein wenig mittelalterlichen Begriff ‚Spielleute’ bezeichnet. Im Ganzen sind es 11 Kapitel in drei großen Abschnitten. Es beginnt mit dem Bericht, der sich mit der Einsetzung der bruderschaftlichen Institutionen beschäftigt, einem Vorgang, der nicht genau datierbar ist aber gelegentlich des Konzils zu Basel stattfand, und sich – wahrscheinlich – nach dem Vorbild anderer regionaler Gemeinschaften (z.B. der Kesselschmiede oder der Schuhmacher) richtete. Das erste hoheitliche Zeugnis, das den Herren von Ribeaupierre eine Vormundschaft über die fahrenden Musikanten zuerkannte, stammt von 1481, aber ihre Rolle wurde in dieser weit zurückliegenden Epoche immer gewichtiger, wie es auch Dokumente von Maximilian I und seinem Vater Bruno gegen Ende des 14. Jh. unterstreichen. Das Gebiet, das ihnen übertragen wurde, ist genau umschrieben als das Elsass zwischen dem Gebirgskamm und dem Rhein, dem Wald von Haguenau und den Ausläufern des Jura, was übrigens dazu einlädt, über die Identität dieser Region nachzudenken, die nicht notwendigerweise der ‚Oberrhein’ ist, über die beiden Ufer – das rechte hatte übrigens seine eigene Bruderschaft mit dem Mittelpunkt Riegel im Breisgau und unter dem offiziellen Schutz der Grafen von Württemberg (1458). Im Übrigen kann das Zentrum der mittelelsässischen Bruderschaft in Ribeauvillé (zuerst, so scheint es, Villé) als ihrem Hauptsitz angenommen werden, obwohl eine Verordnung von Guillaume II von Ribeauvillé tatsächlich drei ‚cercles’ (Kreise) einrichtet, im Norden um Bischwiller oder Rosheim, im Süden um Alt-Thann (S.48). In seiner Eigenschaft als Schutzpatron der ‚fliegenden’ Musikanten erhebt der Herr von Ribeauvillé offenbar eine empfindliche Gebühr (deren Geschichte sich vertiefen ließe) und übt seine ihm übertragene Autorität mit Hilfe einer Organisation aus, an deren Kopf ein ‚Pfifferkunig’ steht.
Bleibt die Liste der Meister auch lückenhaft, so kann dennoch geschlossen werden, dass sie sich, hauptsächlich in dem modernen Zeitabschnitt, ein großes Ansehen erwarben – der letzte der Reihe war zwischen 1787 und der Revolution Francois Joseph Wuhrer (der das Amt eines Organisten und französischen Schulmeisters ausübte) und der seine musikalische Ausbildung bei der französischen Gendarmerie in der Garnison von Lunéville erhielt.
Die Bruderschaft, die sich unter den Schutz der Jungfrau stellte, was vor allem anlässlich des Pilgerzuges von Dusenbach eine zentrale Rolle spielte – und in den Statuten von 1606 festgeschrieben ist -, verfügte über Altäre in mehreren anderen Orten (besonders in Alt-Thann oder in Straßburg). Hat das Auf und Ab, das mit der Reformation einhergeht, eine Auswirkung auf die Spielleute gehabt? Die Frage bleibt offen. Dagegen lässt sich das bru-derschaftliche Funktionieren ziemlich gut seit der Ordnung von 1494 aufzeigen, die, unter anderem, 1606 erneuert wurde (vollständiger Text in beiden Sprachen in einer gedruckten Version von 1784 auf den Seiten 72-75). Man erfährt die Regelungen, die eine große institutionelle Kontinuität begründeten (z.B. durch die Rückgabe des Insignums und des besten Instrumentes eines verstorbenen Bruders als eine Art Vermächtnis an die Bruderschaft) und natürlich die Disziplin und die Pflichten der Vereinigung.
Die Aktivitäten der Bruderschaft werden vor dem Hintergrund der besuchten Archive weitgreifend beschrieben (S.220-221) sowie die hauptsächliche Entwicklung in der modernen Zeit, besonders im 18. Jh.. Zu dem, was diesem vorausgeht, ließe sich andernorts zweifellos noch viel finden – in den Protokollen von Obernai oder in den verstreuten juristischen Jahrbüchern und in den Erlassen, die von den städtischen Autoritäten herausgegeben wurden (wie denen des Rats XXI in Straßburg, die eine wahre Goldgrube auf diesem Gebiet sind). Der Autor beschreibt die Blütezeiten dieser Bruderschaft, vor allem den Pfiffertag, der das Thema eines umfangreichen Kapitels ist (erfreulicherweise mit einer Karte, die die Herkunftsorte der 135 Teilnehmer dieses jährlichen Treffen aufführt, S. 126), aber leider ist hier die Bildauswahl sehr knapp. Die zentrale Frage nach der Koexistenz einer Volkskultur und einer offiziellen Hochkultur bildet den Mittelpunkt der letzten drei Kapitel des Buches: Der Exkurs über das Repertoire könnte vergrößert werden, vor allem über die Veränderungen der Tonarten, Melodien, Tanzschritte, Instrumente. Wie steht es vor der französischen Eroberung mit den Wanderungen der elsässischen Musiker in andere Kulturregionen, z.B. in welsche Länder und umgekehrt? Ebenso mit dem Hirtenfest von Froideval bei Belfort Anfang Mai oder mit den zahlreichen Kilben der Gegend?
Die Fülle der ausgeführten Arbeit von H. Büsemeyer darf nicht den Blick dafür verstellen, was noch zu tun oder richtig zu stellen bleibt (im Index sind Guillaume und Wilhelm von Rappoldstein verschiedene Personen; Werner Burggraf S.44 wird der Burggraf Werner usw.). Der Beitrag der Archäologie und der Wappenkunde ist in verschiedener Weise verbesserungsfähig. So haben die Ausgrabungen der Drogerie Serpent in Straßburg (deren Veröffentlichung durch Maxime Werlé angekündigt ist) Fresken des 14. Jh. zum Vorschein gebracht, die mehrere Musikanten darstellen. Gleichfalls hätte der Autor den Dudelsack reproduzieren können, der als ritterliches Emblem der Ländereien der Ribeaupierre dient, und der aus dem 16. Jh. stammt und im Archiv von Innsbruck aufbewahrt wird.
erschienen in Revue d’Alsace Nr. 131, 2005 von Georges Bischoff